- Mad Max (1979)
- Mad Max II – Der Vollstrecker (1981)
- Mad Max – Jenseits der Donnerkuppel (1985)
- Mad Max: Fury Road (2015)
Mad Max (1979)
Ich habe mich lange nicht herangetraut an die Mad-Max-Filme, weil ich sie in die Schublade post-apokalyptische Lumpen-Wüstenfilme gepackt habe. Außerdem dachte ich einfach, dass sie langweiliger Trash seien. Da sie nun aber sogar dem intellektuellen Publikum von ARTE vorgesetzt wurden, war auch bei mir die Neugierde gepackt. Also hinein in die Postapokalypse!
Doch siehe da, bei Mad Max ist ja gefühlt noch alles irgendwie in Ordnung. Es gibt eine fiese Biker-Bande, die grausame Dinge tut, aber es gibt da auch die Polizei, die auf den Highways Australiens das Gesetz durchsetzt. Einige schaffen das nicht ganz so gut, aber dann gibt es da natürlich noch die Geheimwaffe unter ihnen: Max Rockatansky mit seinem Geschoss auf vier Rädern, das es leider nie wie ein Batmobil oder ein Delorean zum Kultstatus gebracht hat, der „Interceptor“.
Nur langsam bekommt man mit, dass es mit dem Recht und der Ordnung nicht mehr so gut läuft in dieser Welt, sondern dass die Zivilisation langsam bröckelt. Die Polizei als rechter Arm des Gesetzes ist mehr und mehr auf sich allein gestellt, die Polizeiwache heruntergekommen, der Gerichtsprozess wird in einem bröckelnden Haus zwischen Tür und Angel abgewickelt und Verbrecher schnell wieder freigelassen.
Wir befinden uns in einer Zwischenphase, in der wir natürlich hoffen, dass alles wieder gut wird, denn unser Held und die anderen Polizisten haben noch etwas: Moral und den Sinn für das Gute. Der Polizeichef glaubt noch an das Ziel und appelliert an Max:
„People don’t believe in heroes, anymore. Well damn them. You and me, Max. We’re gonna give them back the heroes.“
Aber die Bikerbande ist nicht nur gewalttätig, sie ist auch verrückt. Der Endgegner: Der Toecutter. Für ihn ist das Gesetz ein künstlicher Eingriff in die natürliche Ordnung, in der allein er authoritär herrscht. Toecutter will Rache für den Tod seines Bosses Nightrider und die künstliche Ordnung zerstören. Er tötet erst den besten Kumpel von Max und dann auch noch seine Frau und seinen kleinen Sohn.
An diesem Punkt kann ein Max ja nur Mad werden, er wechselt in das Lager der blinden Wut und lüsternen Rache. Er tötet einen der Biker, der zugibt geistig krank zu sein und es nicht besser zu wissen. Max kettet ihn an ein Auto an, das er zum explodieren bringt. Der Biker kann sich nur retten, wenn er sich entweder die Handschellen absägt, oder – was schneller geht – seinen eigenen Fuß.
Nachdem er seine Feinde getötet hat, bleibt Max gebrochen auf der Straße zurück.
Das zentrale Thema
Die Gefahr einer sich auflösenden rechtlichen Ordnung und damit die Überforderung der Individuen, die Moral aufrechtzuerhalten, wenn ihre Gefühle sie zur Selbstjustiz verführen.
Dr Film stellt die Menschen in der Anarchie als narzisstische Vergewaltiger und Mörder dar und lässt seinen Helden an der sterbenden Zivilisation scheitern. Ohne die rechtliche Ordnung zerfällt alles im Chaos und es bleiben nur Monster auf Motorrädern. Welt und Held ohne Zukunft.
Mad Max II – Der Vollstrecker (1981)
Aus einer sterbenden Zivilisation ist schlussendlich eine post-apokalyptische Welt geworden. Der Grund: Die vom Menschen genutzten fossilen Brennstoffe neigen sich dem Ende und der Kampf um die Ressourcen hat zum Sterben der Staaten geführt. Da aber alle weiterhin Benzin für ihre Autos und alles Andere brauchen, kämpfen nun einzelne Gruppen um den Zugang zu dieser Ressource, da sie nur so Macht ausüben und aufrechterhalten können.
In dieser Welt ohne Rechtssystem braucht es keine Polizisten. Unser gescheiterter Held Max ist zu einem einsamen Wolf geworden, der selbst Benzin braucht, um weiterzukommen.
So trifft er auf den Zivilisationskonflikt im Kleinen: Eine kleine kommunenartige Gruppe hat sich in einer Ölraffinerie eine Festung gebaut. Diese wird belagert von einer anarchischen Terrortruppe angeführt von Lord Humungus, der seine Macht nur mit Hilfe des Benzins halten kann.
Der Kampf um die Ressourcen stellt Max vor die Entscheidung, sich entweder weiter nur um sich selbst zu kümmern oder sich für die kleine Gruppe einzusetzen, die seine Hilfe zum Überleben benötigt. Widerwillig und über Umwege hilft Max der kleinen Mini-Zivilisation, den Fängen der Anarchos zu entkommen und sich eine bessere Zukunft aufzubauen.
Das zentrale Thema
Der Überlebenskampf im Angesicht der Ressourcenknappheit. Die Mittel: Machterhalt durch hierarchische Herrschaft und Gewalt vs. gleichberechtigte Kooperation.
Ist Max ein Held?
Erst nach einigem Hin und Her entscheidet er sich, der Gruppe zu helfen mit dem, was er gut kann: Fahren, Kämpfen, Überleben.
Mad Max – Jenseits der Donnerkuppel (1985)
Eigentlich möchte ich den dritten Teil der Reihe einfach nur vergessen, aber gehen wir kurz rein.
Max ist immer noch allein in der postapokalyptischen Wüste unterwegs und wurde bestohlen. Das Diebesgut wurde nach Bartertown gebracht, eine kleine Siedlung, in der in einer anarchischen Welt eine neue Ordnung hergestellt werden soll, die stabiler ist, als die umherziehenden Banden aus den vorherigen Teilen.
Bartertown wird beherrscht von Aunty Entity (Tina Turner), aber eigentlich ist sie vom Master Blaster abhängig, ihrem Bruder (Master) und seinem muskulösen Träger (Blaster), der für die Energieversorgung der Stadt (Methan gewonnen aus Schweinescheiße) zuständig ist.
Weil der Aunty dieses Machtverhältnis gegen den Strich geht, heuert sie Max an, um den Blaster zu töten, damit der Master keine Macht mehr hat und sie selbst die Energieerzeugung übernehmen kann.
Teil der neuen Gesellschaft, die Aunty Entity aufgebaut hast, ist der Verzicht auf unreglementierte Gewalt. Ein klarer Schritt nach vorne in einer anarchischen Welt. Gewalt darf nur noch in einem großen Metallkäfig stattfinden, der Donnerkuppel. Zwei Mann gehen rein, nur einer kommt raus. Max besiegt den Blaster, tötet ihn aber nicht, weil er Down-Syndrom hat. Ich will das eigentlich gar nicht weitererzählen. Aunty Entity hat aber natürlich auch für solch einen unwahrscheinlichen Fall etwas in der Hinterhand: „Brich den Vertrag und du drehst am Rad“. Max muss ein Glücksrad drehen. Ergebnis: GULAG. Er kommt aber nicht ins Straf- und Arbeitslager, sondern wird auf ein Pferd gesetzt und in den sicheren Wüstentod getrieben.
In der Wüste trifft er auf eine Kindergesellschaft, die Nachkommen der Überlebenden eines Flugzeugabsturzes. Sie denken, Max ist ihr Retter. Er desillusioniert sie. Daraufhin entscheidet sich eine Gruppe, allein aufzubrechen. Eine Rettungsmission muss her, denn die Kinder gehen nach Bartertown.
Dort befreien sie Master und flüchten mit einem riesigen LKW, der auf Schienen fährt, die komplett intakt durch die Wüste führen. Sie werden von Aunty und ihrer Meute gejagt. Schlussendlich hilft Max den Kindern in einem Fluggerät zu entkommen. Aunty verschont Max, weil sie so ein gutes Paar sein könnten. Die Kinder fliegen über das zerstörte Sidney.
Das zentrale Thema
Der Versuch, eine neue Zivilisation inmitten der Anarchie aufzubauen, kann nur gelingen, wenn die Machthaberin die Gewalt reglementiert, also nur in einer Donnerkuppel zulässt. Die Zivilisation scheitert aber wieder am Kampf um die Ressourcen, die sie am Leben erhält.
Ist Max ein Held?
Er will wieder einfach nur seine gestohlenen Sachen wieder, lässt sich dann als Attentäter missbrauchen, der seinen Auftrag nicht durchzieht. Dann wollen ihn Kinder zum Held machen, was er ablehnt, sie dann aber rettet. Er ist gegen jede Form von Heldentum. Wie in Teil 2 hilft Max aber der Gruppe, die auf Wanderung geht und nach einem höheren Ziel strebt, die unschuldig ist (Kinder) und kooperativ zusammenarbeitet, was ihn zum Helden macht.
Tina Turner dazu: 🎵 We don’t need another hero. 🎵
Mad Max: Fury Road (2015)
Die postapokalyptische Welt ist noch apokalyptischer geworden, denn die radioaktive Verseuchung deutet auf Atomwaffen als Grund des Untergangs der Zivilisation hin.
Wie schon in Teil 3 findet Max sich auch in diesem Teil wieder mit einer neuen Mini-Zivilisation konfrontiert. Über diese herrscht der körperlich bereits ziemlich angekratzte Immortan Joe, der den Zugang zu Wasser kontrolliert, genauso wie eine Armee von fanatischen Warboys und junge Frauen als Gebärmütter missbraucht, um nach all den Fehlversuchen endlich einen gesunden Nachkommen zu zeugen.
Eine seiner besten Fahrerinnen, Imperator Furiosa, verrät ihn. Mit einem hochgerüsteten LKW, mit dem sie eigentlich neues Benzin besorgen soll, schmuggelt sie die Frauen des Harems aus der Festung und will mit ihnen in ihre Heimat, das Grüne Land, flüchten.
In der Verfolgungsjagd treffen wir auf Max, der von einem Warboy als Blutspender benutzt wird und zwischen die Fronten gerät. Er schafft es, am Leben zu bleiben und mit dem LKW, Furiosa und den Haremsfrauen zu flüchten. Widerwillig schließt er sich ihnen an und hilft ihnen.
Das Grüne Land gibt es aber nicht mehr. Die einzige Möglichkeit für eine grüne Zukunft ist, Immortan Joes Festung einzunehmen und dort eine neue Heimat aufzubauen.
Auf dem Weg dorthin werden alle alten weißen Männer getötet, die ihnen im Weg stehen.
Das zentrale Thema
Autoritäre Herrschaft kann gegen eine gerechtere eingetauscht werden. Für diese lohnt es sich, zu kämpfen.
Suche nicht nach neuen Orten, sondern nutze das bestehende System und mache es gerechter.
Ist Max ein Held?
Er kämpft um’s nackte Überleben und hat dabei einfach nur verdammt viel Glück. Er kämpft gegen seine inneren Dämonen, glaubt dass Hoffnung in dieser Welt nicht mehr angebracht ist. Er schließt sich Furiosa und den Frauen an im Kampf gegen den autoritären Herrscher Immortan Joe. Er überzeugt Furiosa und die anderen, die Festung als neue Heimat aufzubauen und dort eine neue gerechtere Zivilisation aufzubauen. Am Ende macht er sich wieder auf den Weg. Er bleibt der einsame Wolf, aber er hat seine Hoffnung wiedergefunden. Er ist geheilt. Er ist Max und nicht mehr Mad.
In Fury Road wirkt Max wie ein Nebendarsteller, der zwischen die Fronten gerät und kaum etwas sagt. Er ist wie ein Nebendarsteller, der Fahrer und Kämpfer, der in den Hintergrund rückt, um den Frauen und ihrer Mission den Vortritt zu lassen. Nur indem er sich selbst ändert und wieder Hoffnung hat, kann er die anderen ermächtigen, für den Neustart zu kämpfen.
Fazit: Ein zurückhaltender Held, der wie eine Waffe oder ein Werkzeug agiert. Ein Held, der selbst nicht nach Macht strebt, sondern nach innerer Heilung und der Heilung der Welt.
Die Mad-Max-Reihe
Die Reihe wird zusammengehalten von einem Mann, den alle – inklusive Publikum – zum Helden machen wollen und der sich immer wieder aus diesem Bild herauswinden will, bis er sich schlussendlich doch für das Gute einsetzt.
Die Reihe zeigt, dass die ordnungsfragile postapokalyptische Welt ein ständiger Überlebenskampf ist. Sie versucht die Frage zu beantworten, welche dystopischen Zivilisationen möglich wären, wenn unsere bestehende Ordnung verschwunden wäre. Sie führt uns unsere Abhängigkeit von Ressourcen vor Augen, weil unsere Technologien so grundlegend von ihnen abhängig sind sowie Herrschaft und Macht von diesen Technologien und den sie betreibenden Energieträgern. Und sie zeigt uns, dass Zivilisation keine Städte, Siedlungen und Autos sind, sondern unser auf Gemeinschaft, Kooperation und Moral ausgerichtetes Zusammenleben.
Was ich zum Schluss noch über die Filme sagen wollte: Autos, Motorräder, LKWs, extreme Verfolgungsszenen, Explosionen, Nahkämpfe, Fernkämpfe, Explosionen, noch mehr Autos, Kabumm, VROOOOMMMMM, Slash, Tod, Zerstörung, Action, Action, ACTION!
Der Utopian-Society-Test: Würde sich die Welt von Mad Max als Utopie anbieten?
Nun ja, dieses Australien der Zukunft ist natürlich eine Dystopie. In dieser postapokalyptischen Welt sind die Gesellschaften zusammengebrochen und es gibt keine große Ordnung mehr. Das gibt den Bewohner:innen dieser Welt die Möglichkeit, neue Gesellschaftsformen und neue Zivilisationen auszuprobieren. Es gibt Beispiele für Autokratien, die von Hierarchien, Machthunger und Gewalt geprägt sind, aber auch für demokratisch und gleichberechtigt organisierte Formen des Zusammenlebens.
Das Ende von Fury Road gibt einem Hoffnung, dass mit den richtigen Menschen an der Spitze, die Werte wie Freiheit und Gleichberechtigung anstreben, eine gerechtere Gesellschaft entstehen kann. Diejenigen, die Gesellschaft und Herrschaft organisieren, sollten also selbst eine Vision haben und einen Ausweg aus der Gewalt finden wollen.
In einer Dystopie stellt sich eher die Frage, ob aus ihr eine Utopie entstehen kann. Das kann man wohl dahingehend bejahen, da sich die Machtverhältnisse in der Mad-Max-Welt schnell ändern können. In der anarchischen postapokalyptischen Welt ist jede Zivilisation brüchig und gefährdet, da sie hauptsächlich an einzelnen Personen hängt. Wenn diese sterben, sterben auch die zivilisatorischen Bestrebungen. Auf der anderen Seite gibt es sehr viel Freiraum für das Erdenken neuer Gesellschaften und damit neue Formen des gesellschaftlichen Zusammenlebens.
Arbeitsthese und Fazit:
Utopien können dort entstehen, wo es keinen Ressourcenmangel gibt, um den gekämpft wird, wo es eine Vision gibt und Herrschende, die sich gegen eine Herrschaft der Gewalt entscheiden.