Manchmal hat man ja so komische Anwandlungen. Meine war, dass ich eine Bar eröffnen wollte. Eine kanadische oder eine australische, da war ich mir nicht so sicher. Aber es sollte eine Bar sein. Eine Bar, in der junge, hippe, coole Leute abhängen würden, wo erste Dates stattfinden und man sich nach Feierabend mit Kolleg:innen einen reinstellen könnte.
„Hallo, kommse rein. Setzen se sich.“
Nun saß ich da, vor Frau Müller vom Ordnungsamt, Abteilung für Gewerbeangelegenheiten und wollte meine Bar als Gewerbe anmelden.
„Ham se alle Unterlagen dabei?“
Ich legte ihr meine Zettelage auf den Tisch.
Sie nahm die Zettelage entgegen, rückte ihre Lesebrille zurecht und sagte:
„Sie hätten dit ooch online einreichen können, wissen se ditte? Dit jeht jetz ooch.“
Ich wusste das, aber das hat mir bei der Entscheidung mit meiner komischen Anwandlung im Vorfeld auch nicht geholfen.
„Wat wolln se denn für ne Bar aufmachen?“, fragte Frau Müller.
„Gut, dass Sie fragen“, sagte ich. „Es soll eine kanadische oder australische Bar sein, da bin ich mir aber noch nicht so sicher.“
„Na, Sie müssen doch aber wissen, welche Bar Sie uffmachen wollen“
„Dit is aber…Ich meine, das ist aber nicht so einfach. Kanada und Australien sind sich doch so ähnlich.“
„Versteh ick nich. Aber eijentlich tut dit hier jerade ja ooch nüscht zur Sache bei der Anmeldung.“
„Okay, passen sie auf, sie müssen mir hier und jetzt bei der Entscheidung helfen!“
Sie rollte mit den Augen.
„Ich brauch was, was sich von den anderen Bars in Berlin abhebt. Ich will keine alte Eckkneipe und keinen Irish Pub. Ich brauch was Neues, was mit Flair und richtig nischig. Bisschen unauffällig, aber wenn man reingeht eine Welt voller Wunder. Ein Geheimtipp.
Also entweder Kanada oder Australien. Folgendes gibt es zu bedenken: Beide haben riesige Landmassen, ausufernde Natur. Beide sind eine föderale parlamentarische Monarchie. Bei beiden ist König Charles das Staatsoberhaupt. In beiden Ländern bezahlt man mit Dollar. Bei beiden Ländern glaubt man, die Hauptstädte zu kennen – Sidney und Montreal – und dann kickt die Unsicherheit rein und man googlet, dass es eigentlich Canberra und Ottawa sind. Es gibt Dutzende Stars aus Film und Musik, von denen man eigentlich dachte, dass sie aus den USA kommen. Ryan Reynolds, Jim Carrey, Keanu Reeves, Justin Bieber, Celine Dion, Drake, Alanis Morissette – Kanada. Nicole Kidman, Hugh Jackman, Cate Blanchett, Chris Hemsworth, Kylie Minogue, AC/DC – Australien. Kanada hat die Niagarafälle und Australien den Uluru.“
„Den watt?“, unterbrach mich Frau Müller.
„Vielleicht kennen sie ihn unter seinem englischen Kolonialnamen: Ayers Rock.“
„Schonmal jehört, ja. Aber sagen se mal, machen die überhaupt jutet Bier?“
„Das ist doch nebensächlich! Australien hat unglaublich viele riesige tödliche Tiere und sehr bekannte Beuteltiere. Der Wombat, ein richtiges Fun-Fact-Wunder.“
„Wat fürn Wunder?“
„Der Wombat macht Kacka in Würfelform.“
Frau Müller machte große Augen.
„Damit sie nicht wegrollt. Zur Reviermarkierung. Und der Beutel ist nicht nach vorne geöffnet, sondern nach hinten, damit beim Graben keine Erde reinkommt.“
„Praktisch“, sagte Frau Müller.
„Und der Hintern ist eine knöcherne Platte, die zur Abwehr gegen Feinde hilft. Wenn einer kommt, geht er einfach in seine Höhlen rein und verstopft die Öffnung mit seinem Knochenpo.“
„War’t dit oder jibt et noch mehr?“
„Die Höhlen der Wombats sind so stabil, dass auch andere Tiere sie nutzen.“
„Okee. Dit mit der Kacka muss ick meen Menne erzähln. Und Kanada?“
„Was Kanada?“
„Na welche uffrejenden Tiere hat Kanada?“
„Grizzlybären, Elche, Bisons.“
„Kennt man ja, wa?“
„Ja.“
„Kennse den Unterschied zwischen Slowenien und der Slowakei?“, fragte Frau Müller.
„Nein. Sie?“
„Nee. Weißrussland und Belarus?“
„Ist das nich das Gleiche?“
„Keine Ahnung. Wat ick damit meine is: Dit juckt keenen. Also keenen, der nich da wohnt. Dat ick ausm Osten komme, is mir wichtig, aber n Kanadier oder ne Australierin wird sich dafür nich interessieren. Und eijentlich sind wir ja alle gleich als Menschen, oder nich?“
Hilflos saß ich vor Frau Müller und nickte bedröppelt vor mich hin, weil ich selbst mehr Fragen als Antworten hatte.
„Vielleicht machen se einfach ne australo-kanadische Bar uff. Da ham se ne richtije Nische und alle kommen, um zu kieken, wat se da vorhaben mit ihrer Kaschemme. Da jeht ihnen ooch nie der Jesprächsstoff aus, und sie könn sich die Tiere komplett aussuchen, über die se ihre komischen Facts erzählen wollen. Das Beste aus beiden Welten.“
„Frau Müller, sie ham recht, wa? Ick mach dit wie sie dit vorjeschlajen haben. Kommen se dann ooch ma vorbei, wenn ick uffjemacht habe?“
„Nee, ick jehe immer nur zu Hansi inne Kneipe. Da jibts den besten Eierlikör uffe Welt, da können ihre Kanadier und Australier nich mithalten. Hier hamse een. Pröstachen.“
„Stößchen.“
Ich nahm meine Zettelage wieder an mich, spülte mit dem Eierlikör meine komische Anwandlung runter und knabberte beim Rausgehen auf der Schokowaffel herum.
